Tom Fleischhauer
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Verzweiflung und Vergnügen
Die Gärtnerplatz-Galerie zeigen Neues aus Berlin
Süddeutsche Zeitung, Donnerstag,
1. Februar 2007, Münchner Kultur
Der Mann ist allein. Er versprüht die Aura eines hilflos Verlassenen. Um ihn
herum nur fade Landschaft: Zudem ist er unzufrieden mit seinem schlaksigen Äu-
ßeren. Kann es etwas Trostloseres geben? Es kann: Der Mann hat eigentlich gar kei-
nen Körper mehr. Seine Kleidung ist bloße Hülle, wird gerade noch aufrechterhal-
ten durch das, was einmal in ihr steckte. Aus den Ärmeln ragen keine Hände
mehr, und dort, wo mal Hals war und womöglich auch ein Kopf; da ist jetzt nur nur
Rauch.
Es ist zu vermuten, dass die Bilder von Wolfgang Betke, die zurzeit in der
Galerie „K 4" am Gärtnerplatz zu sehen sind, den Künstler selbst zeigen.
Zumindest so, wie er sich bisweilen fühlen mag. Der Protagonist ohne Körper,
die Figur ohne Leib, der Mensch im Schwebezustand zwischen Sein und
Nichtsein-das ist das Motiv, das sich durch die aktuelle Malerei des Berliners zieht.
Gerade hat er seine Performance in der Lothringer 13 gezeigt, in der Hauptstadt
macht er Radio hier kann man nun die weniger flüchtigen Erzeugnisse Betkes sehen,
und sie hinterlassen bleibenden Eindruck: „Ich habe Betke ausgewählt, weil er ei-
ne radikale Position vertritt. Endlich mal ein Maler, der sich nicht in modische
Malerei-Ideologien verstrickt", sagt Galerist Henning Götz. Recht hat er: So ein-
sam und gleichzeitig so präsent hat man selten einen Menschen gesehen, schon
gar nicht im Bild. Hilflos der Bühne des Lebens ausgesetzt, machen die Protago-
nisten doch stets eine gute Figur. Die Kleidung sitzt, das ist die Hauptsache,
da kann man schon mal kopflos sein. Die Karikatur eines Entertainers, nur ist das
Dauergrinsen einem picassö-artigen Gesichtsichtspudding gewichen.
Nähere Betrachtung verdient auch die Landschaft rund um Betkes Figuren: In
der Umgebung der Menschen ist sie karg, grau und ohne Leben. Je näher sich die
Bäume aber dem Himmel nähern, desto eher sprießen die Blättchen, plötzlich
werden Gräser grün und Wolken zartrosa, zeigt sich im Dunkelgrau eine winzige
grelle Sonne. Es gibt also noch Leben auf Betkes Planeten, ein Fünkchen Hoff-
nung existiert - und genau diese Mischung aus Verzweiflung und Vergnügen
macht seine Kunst so unaufdringlich kraftvoll (Klenzestraße 4, bis 11. März).
Auf wundersame Weise zeigen zurzeit alle Galerien am Gärtnerplatz, ohne dass
man sich abgesprochen hätte, Berliner Künstler. So auch die Galerie Kampl, in
die sich in der vergangenen Woche mehr Laufpublikum als sonst verirrte, getrie-
ben von der Sehnsucht nach einem Weiß, an dessen reale Existenz schon kaum ein
Münchner mehr glauben mochte: Schnee. Die großformatigen Bilder von
Tom Fleischhauer’wirken durch die großen Schaufenster wie Schneebilder.
Dabei zeigt, bei näherer Betrachtung, nur ein einziges eine Winterlandschaft.
Die anderen sind Alltagsszenen: Spaziergänger im Park, Mädchen in der Sonne,
Badende am Fluss. Auch dies ist Malerei, doch von weitem sehen die Bilder aus wie
Fotos. Geht man näher heran, erscheinen sie wie gepixelt. Geht man noch näher her-
an, erkennt man, dass sie aus einem Teppich von Farbflecken aus hellen Grau-
und Blau-Nuancen bestehen. Der Pinselstrich besteht aus Punkten; was an den
Pointillismus des Impressionismus erinnert - gepaart mit der kühlen Eleganz
des digitalen Zeitalters. Der Berliner Künstler hat in München
Architektur studiert, und seine Maltechnik beherrscht er perfekt. Bleibt ‘nur die
Frage: Wozu? Fotorealisten der vergangenen Epochen haben schon zur Genüge
gezeigt, dass Malerei schärfer sein kann als jegliche Art von Fotografie, wenn sie
denn will. Noch einmal muss man sich für Fleischhauer Zeit nehmen und ganz
genau hinsehen. Dann verschwimmen die Wahrnehmungsebenen zwischen den
Pünktchen, und man fragt sich: Wer sind all diese gesichtslosen Individuen? Wo
sind die Farben, wo ist der Charakter, wo bleibt der Ausdruck? Die Bilder wirken
so lange lapidar, bis der Betrachter sie auffüllt. Das ist das Spiel. Und die Sehn-
sucht nach Schnee, die dürfte nun auch gedeckt, sein
(Buttermelcherstraße 15,
bis 30. März).
RUTH SCHNEEBERGER
Tom Fleischhauer
In Berg und Tal und Strom und Feld
19. 01 - 20. 03. 2007
Donnerstag, 1. Februar 2007
Tom Fleischhauer, geboren 1954 in Dommershausen, studierte von 1975 bis 1979
Architektur in München und Aachen. 1980 begab sich der Künstler auf Studienreise
in die USA, Mexico, Guatemala, San Salvador, Belize, Panama, Columbien, Equador,
Peru, Bolivien und Jamaica. In den Jahren 1982 bis 1986 absolvierte er sein Studium
an der Hochschule der Künste in Berlin bei Prof. Dieter Appelt. Er lebt und arbeitet
in Berlin.
Zur Eröffnung der Ausstellung am Freitag,19.01. 2007 von 18 - 21 Uhr sind Sie
herzlich willkommen. Die Galerien am Gärtnerplatz eröffnen gemeinsam und sind
Samstag und Sonntag von 12 bis 19 Uhr für Sie da.