Tom Fabritius

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Tom Fabritius

Neue Bilder

14.09. - 20.10.2007

Die Malerei von Tom Fabritius fixiert das, was als flüchtig Wahrgenommenes

ansonsten sich jeder Fixierung verweigert, mediale Momentaufnahmen, die über das Fernsehen in unser Bewußtsein treten. Was in bewegten Bildern Wiklichkeit simuliert, wird "still gestellt"

zur Frage nach dieser Wirklichkeit. Die Malerei Fabritius arbeitet sich ab an der mimetischen Qualität von Bildern, die in einem komplexen Gefüge von Medien Wirklichkeit zu behaupten suchen. Das Fotografieren vorm Fernseher und die Verwendung der so entstandenen Fotografien als Vorlage für malerische Kompositionen konterkariert unsere gewohnte Realitätswahrnehmung durch Medien, verkehrt gleichsam deren historische Entwicklung. Hier wird etwas zurückgeführt und als Bild schließlich isoliert,

was im gewohnten Kontext Teilhabe suggerieren will.

Indem die Bilder gleichsam herausgerissen werden aus diesem medialen "Grundrauschen" und ihren suggestiven Funktionen, konstituieren sie als stillgestellte Fragmente einer unendlichen Zeichen- und Bildproduktion die Melancholie des Stillstands. Das Gesehene ist oft vertraut und doch fremd, das Bild verweigert die Illusion, mehr als ein Bild zu sein. Tom Fabritius lässt die Bilder zur Ruhe kommen.

Torsten Pannen

 

Galerie Kampl Buttermelcherstr. 15, 80469 München, Tel. 089 / 21 93 82 00

 

Es ist, was es ist, ein Bild, Bilder, Bilder von Bildern, Abbilder einer bildreichen Wirklichkeit. Diese Wirklichkeit aber ist als ursprüngliche Wirklichkeitserfahrung längst im Verschwinden begriffen und eben dieses Verschwinden von Wirklichkeit, die "Agonie des Realen", inhäriert den Bildern, die sich ihrer eigenen Bedeutung zu vergewissern suchen.

 

Tom Fabritius malt solche Bilder, er malt sie nach Fotografien von Fernsehbildern, "Stills", er aquarelliert sie, jenseits aller Eindeutigkeit. Die Malerei Fabritius' arbeitet sich ab an der mimetischen Qualität von Bildern, die in einem komplexen Gefüge von Medien Wirklichkeit nur noch zu behaupten vermögen. Jenseits der narrativen Bezüge und Referenzen überführt er Filmmaterial in autonome Kompositionen, versieht sie mit einer malerischen Qualität, die die rein mediale Konstituierung dieser Bilder kaschiert, ohne sie zu leugnen.

 

So fällt es dem Betrachter schwer, das Wahrnehmbare zu verorten, den Gehalt an Wirklichkeit zu erkennen. Erkannt aber wird das Dilemma der multiplen Realität in Bildern, das Dilemma, nicht wissen zu können, was was ist und wie was zum Abbild wurde.

 

Fabritius' Bilder behaupten damit aber auch die Autonomie der künstlerischen Komposition in der herrschenden Intermedialität. Indem Bilder gleichsam herausgerissen werden aus diesem medialen "Grundrauschen", konstituieren sie als stillgestellte Fragmente einer unendlichen Zeichen- und Bildproduktion zumindest formale Eindeutigkeit. Einzig, dass das Bild irgendwo gesehen wurde und gerade gesehen wird, bleibt letzte Wirklichkeit, die Wirklichkeit der Wahrnehmung.

 

Wir werden also konfrontiert mit mimetischen Ketten, mit der Evolution des Dargestellten in seinen Darstellungsstufen und den Möglichkeiten des Betrachters, diese referentielle Unschärfe überhaupt noch mit Bedeutung zu versehen. Wir werden damit konfrontiert in der Betrachtung nur eines Bildes, das als bestimmtes der Unbestimmbarkeit Ausdruck verleiht. Somit bleibt die Malerei Fabritius' der Bedeutung des Abbilds verpflichtet, gerade weil sie die Möglichkeit einer Nachahnung von Wirklichkeit desavouiert. Die Bilder bleiben auf der Suche nach Wirklichkeit im Moment ihrer medialen Substitution, sie halten gegen mediale Verdinglichung fest an der Möglichkeit unmittelbarer Wirklichkeitserfahrung -- als Kunst.

 

 

Galerie Kampl

Tom Fabritius

Neue Bilder

09.09.2005 - 05.11.2005

Tom Fabritius, geboren 1972 in Radeberg, studierte Malerei und Grafik an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. Er war Meisterschüler bei Prof. Arno Rink und Mitbegründer der Produzentengalerie LIGA in Berlin Mitte.

 

Seine Technik ist das Aquarell, auf Papier wie auf Leinwand, seine Motive findet er im Fernsehen, zappt sich durch die Bilderflut mit einer Kamera in der Hand und nimmt Motive auf, bedient sich der medialen Welt wie der Stillebenmaler früherer Tage der Gegenstände aus Haus und Garten. Der Eindruck des Flüchtigen, Austauschbaren, das Moment des Vergänglichen wird deutlich in der Zartheit der Farben, erst bei längerer Betrachtung gewöhnt sich das Auge und Farben und Konturen gewinnen an Deutlichkeit.

 

Dies ist unsere dritte Ausstellung mit Tom Fabritius, die diesmal in Zusammenarbeit mit Galerie Tanit in erweitertem Rahmen in beiden Galerien stattfindet. Es erscheint ein Katalog.

Weltbezug, Weltentzug

 

Zu den Bildern von Tom Fabritius

 

Figuration

 

Seit der Zeit um 1800, nichts anderes ist die Moderne, weiß man, dass der Mensch aus Oberfläche besteht. Und seither versucht man, dessen stählernes Gehäuse zu knacken. Womöglich tut sich dahinter ja ein Geheimnis auf. Das Vehikel des Tiefgangs ist notgedrungen der empirische Apparat, und je nachdem, ob man Auge, Ohr oder Hand anlegt, kommt man zu jeweils anderen Ergebnissen. Konzentriert man sich darauf, was man hört, so arbeitet man psychologisch. Hat man es bevorzugt mit dem Anfassen, so verfährt man phänomenologisch. Legt man es auf die optischen Daten an, so geriert man sich physiognomisierend. Letzteres wäre nun auch die Domäne der Bilder. Die vielerlei Konjunkturen, die dem, was man „figurative Malerei“ nennt, in den letzten Jahrzehnten nachgesagt wurden, nähren sich von einem Willen zum physiognomischen Wissen. Müßig, dabei anzumerken, dass eine solche Konjunktur auch im Moment zu haben ist.

 

Figuration bringt eine im Wortsinn unkünstlerische Komponente ins Spiel. Figuration versagt sich dem lückenlosen Aufgehen in der Autonomie. Figuration hantiert mit Realität, und das Tertium Comparationis zwischen Realität und Bild ist Mimesis. Genau dieser Weltbezug sorgt für den Fremdbezug. Figurative Bilder lassen sich nicht ungebrochen einpassen in die Radikalisierungsgesten, die Überbietungsdynamiken und die Progressionsentwicklungen, von denen das letzte Jahrhundert immer träumte. Deshalb galt in den Zeiten der orthodoxen Moderne Figuration als reaktionär. Doch in ihrem trotzigem Beharren auf Weltzugang ist Figuration bestenfalls zeitlos. Sie ist jeweils so zeitverhaftet, wie die Wirklichkeit, die sie sich vornimmt. Gerade deswegen muss sie mit jeder neuen Welle an Bildern, die primär das Außerhalb der Welt und nicht das Innerhalb der Künstlerseele zeigen, zur Disposition gestellt werden. Gerade deswegen sucht man ihr beizukommen, indem man von Konjunkturen raunt. Figurationen sind gewissermaßen tote Äste an den Stammbäumen der Kunst. Doch wer redet heute noch von Stammbäumen.

 

So ist es vor dem Antlitz einer solchen Unzeitgemäßheit oder besser: Überzeitgemäßheit, wie sie Figuration nun einmal darstellt, völlig gleichgültig, dass Tom Fabritius mit dem Leipzig-Hype in Verbindung zu bringen ist. Ja, er kommt, grob gesagt, aus der Gegend; ja, er hat in Leipzig studiert; ja, seine momentane Reputation profitiert von dieser Biografie. Und doch, auch das ist unabdingbar, geht er in den beiden Dingen, die eine künstlerische Eigenart zunächst konstituieren, seine eigenen Wege. In Medium und Methode ist Tom Fabritius weniger aus Leipzig denn aus dieser zeitgenössischen Welt.

 

Fabritius schafft großformatige Aquarelle; und er schafft sie in einem genuinen Verfahren der Aneignung, in dem immer eine Brechung, einem Verfahren des Zitierens, in dem immer eine Abrechnung liegt. Die piktoralen Welten von Fabritius verdanken sich dem Fernsehkonsum; im Anwesendsein vor dem Bildschirm, im, wie es so schön heißt, Hängen vor der Glotze, beiläufig, eingeschläfert, halbkonzentriert, kommen die Bilder auf einen zu. Es ist eine Wahrnehmung, die Walter Benjamin einst die „taktile Rezeption“ nannte, die man im alltäglichen Umgang entwickelt, die gewohnheitsmäßig abläuft und von der Unaufmerksamkeit lebt. Der Fotoapparat hilft dieser Wahrnehmung dann weiter auf die Sprünge, denn ab und zu wird auf den Schirm fokussiert, wird abgedrückt und als Bild festgehalten, was sowieso nur als Bild verfügbar war. Von diesen Fotos finden einige den Weg ins Karree der Eigenhändigkeit, und Fabritius bannt sie ins Aquarell. Das elektronische Bild des Fernsehens geht über ins chemische Bild des Fotos und von dort ins physische Bild des Farbe auf Fläche, das eine künstlerische Absicht ins Werk setzt. Der Mediumtransfer, der nichts anderes ist als die genuine künstlerische Methode von Fabritius, braucht drei - zählt man die Ausstellung als eigene Darbietungsform hinzu: vier - Stationen, um sich zur Kenntlichkeit zu bringen. Wer sagt, figurative Malerei sei naiv, lasse sich diese Kompliziertheit auf der Zunge zergehen.

 

Appropriation

 

Weltbezug ist Weltaneignung, so ließe sich sagen. Sie ist Aneignung der Welt. Doch genauso ist sie eine Welt an Aneignung. Weltaneignung ist damit auch Weltentzug. In diesem Sinn war Appropriation von jeher eine der wirkungsvollsten Strategien der künstlerischen Moderne. Im Lauf der letzten 200 Jahre sind so etwa zusammengekommen: Das Primitive in Gestalt von Kinderzeichungen, Ethno-Plastiken, Bildnerei der psychisch Kranken; das Vernakuläre in Gestalt von Mode, Werbung, Gebrauchsgrafik; das Tabuisierte in Gestalt von Pornografie, Gewalt und allerlei politisch Indiziertem; das nicht-Phänomenale wie Deklarationen, Imaginäres, Verschwiegenes und Verweigertes; das Trans- und Interdisziplinäre in Gestalt von Diagrammen, didaktischen Verlautbarungen und Wissenschaftsjargons. Ob man eine solche Praxis nun für eine freundliche oder eine unfreundliche Übernahme hält: Aneignung und vor allem auch die Gesten der Aneignung konstituieren Kunst. Und gerade die Geste der Appropriierung sorgt dabei für den Weltentzug. Der performative Akt schiebt sich vor die Vitalität der Dinge.

 

Figuration ist ihrerseits eine solche Appropriation, und sie ist es heute deutlicher denn je. Als Sampling sind die Verfahren der Aneignung zu einer Art Mainstream der Gegenwart geworden. Nichts ist unbrauchbar, alles montierbar, collagierbar, dekonstruierbar und überführbar in den Pool des Hybriden. Die Realität ist als ausweglos ausgewiesen, weil es ihre Stellvertreter sind, die Symbole, Bilder, Signaturen, Fragmente, die man benutzt, um sie ausschließlich um sich selbst kreisen zu lassen. Die Realität ist ausweglos, weil der Bezug zu ihren Zeichen umweglos ist. Diese Umweglosigkeit des Zeichengebrauchs ist selbstverständliche Voraussetzung der heutigen vielfältigen Appropriationen.

 

Umweglosigkeit zwischen Zeichen und Realität galt von jeher als Domäne des Fotos. Und es ist kein Zufall, dass Fotografien, vorgefundene oder selbst gemachte oder artifiziell hergestellte, vielen figurativen Bildern der Gegenwart die Grundlage geben. Es war bezeichnenderweise ein solcher Mechanismus des appropriativen Umgangs mit Fotos, bei Cindy Sherman, Robert Longo, Sherrie Levine oder Troy Brauntuch, anhand dessen Douglas Crimp 1977 die postmoderne Wiederkehr der "Pictures" per Ausstellung und Begleitkatalog annoncierte. Mithilfe der bildhaft, tafelbildhaft gewordenen Fotografie ließ sich die zentrale These Crimps perfekt belegen: "Underneath each picture there is always another picture".

 

Hier nun kommt ein zweites Mal die Individualität und Idiosynkratik von Tom Fabritius ins Spiel. Seine Bilder stellen nämlich eine ganz eigenartige Form dieses „Underneath“ zur Schau. Nicht nur, dass „unterhalb“ des aquarellierten das fotografierte und „unterhalb“ des fotografierten das technisierte Bild halb gesehen und halb gewusst zum Vorschein kommt. Es gibt noch eine andere, bezeichnendere Variante, eine ganz buchstäbliche Lesart des „Underneath“, und sie zeigt sich auf der Oberfläche der Bilder selbst. So ist es in einer Arbeit wie „BÜRO“ das stete einzelne Motiv des Schreibtisches, das aufgefaltet wird, das vom Vorder- zum Hintergrund sozusagen weitergereicht wird, das sich wiederholt und in schier unendlicher Verdopplung vorgeführt wird. Dem Bild wird damit eine weitere mediale Spielart mitgegeben, es ist der Spiegel: Wie in einem Spiegelkabinett vervielfältigt sich das Motiv, um dabei eine sachte Rundung zu beschreiben, eine Rundung, die bewirkt, dass es sich irgendwann in einer Sphäre ausserhalb des Ausschnitts verliert. Entsprechend haben die Bilder von Fabritius etwas Serielles, es sind der Balkon oder das Regal, der Tisch oder die Tür, alltägliche, vernakuläre Erscheinungen, die die jeweiligen Darstellungen charakterisieren, gerade weil sie sich in einem Mechanismus des Aufspaltens, Facettierens, Reduplizierens und Multiplizierens ausbreiten.

 

Das „Underneath each picture“ ist das lauernde Vorhandensein des immer Gleichen, die multiple Präsenz, die sich jederzeit auftut: Denkt man sich einen Bildgegenstand weg, dann steht darunter, dahinter, daneben schon der nächste bereit, der er wiederum selbst ist. Träger dieses Verfahrens ist natürlich das Bild und nicht eine Wirklichkeit des Ausserhalb, eine Wirklichkeit, die mit Magie aufgeladen wäre, gestattete sie das, was Fabritius vorführt, realiter. Nein, was hier ausgelotet wird, sind die Chancen und Avancen von Piktoralität. Und das heisst auch: Bei aller Avanciertheit in Bezug auf Medium und Methode kommt das Bild ganz zu sich in dem, was es darbietet: im Motiv.

 

Ob ein solcher Mechanismus des "Unter dem Bild immer schon ein Bild" nun schierer visueller Vorhandenheit entspringt oder ob er einer Projektion, dem Hineinsehen und damit allein der Rezeption untersteht, spielt keine Rolle. Wenn man das Bild als Referenz auf ein Bild (und eben nicht auf Realität) wahrnimmt, dann ist dieser Mechanismus von vornherein vorhanden. Wenn die Wirklichkeit immer schon als ihr Bild im Raum steht, dann ist die Aneignung der Realität zugleich die Aneignung ihrer Bildlichkeit. Längst ist eine geschlossene Zirkulation entstanden. Appropriation ist Piktoralisierung. Das figurative Bild der Gegenwart, das sich vielfach facettierter Verfahren der Aneignung verdankt, ist entsprechend ihr Medium. Fabritius bringt es auf den Punkt.

Galerie Kampl / Galerie Tanit

 

 

Tom Fabritius

Tom Fabritius: Börse, 2005

 

Der Fernseher ist ein verräteri­sches Ding. In Betrieb erfüllt er den Raum mit einem auratischen bläulichen Schimmer. Besonders von außen ist so leicht feststell­bar, dass die Zimmerbewohner gerade einer schein-heiligen Handlung frönen, dem Glotzen. So etwas interessiert in seiner völ­lig paradoxen profanen Heiligkeit Künstler. Tom Fabritius hat in seinen neuen Bildern dieses fla­che sich ins Monochrome zurückziehende Leuchten von Fernsehbildern eingefangen. Der 1972 in Radeberg geborene und an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst bei Arno Rinke ausgebildete Maler hat Fernsehbilder fotografiert. Nach diesen Vorlagen macht er sich dann an die Arbeit, um die adäquaten Stillleben des televisionären Zeitalters zu schaffen. Mit der Flüchtigkeit und Vergäng­lichkeit der Bildvorlagen korrespondiert seine spezifische malerische Technik. Tom Fabritius bedient sich der Aquarelltechnik, um immate­rielle Bildschirmbilder in den Uraltmedien von Papier und Leinwand stillstellend zu wiederho­len. Zugleich treibt er solchermaßen die Be­trachter in die Reflexion über das mediale Bild hinein. Bildwissenschaft mit den genuinen Mit­teln der Malerei.

 

 

Bis 5. November. Di-Sa 14-19 Uhr

But­termelcherstr. 15

Informationen: Tel. (089) 2193 82 00

 

Galerie Tanit. Di-Fr 11-18.30 Uhr, Sa 11-14 Uhr. Maximilianstr. 45. Informationen: Tel. (089) 29 22 33.