Peter Weibel


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Peter Weibel

Globale Gier

 

Im globalen Wettbewerb um den optimalen Standort reduziert sich der Globus selbst zum Standortfaktor, wird der Erdball zum Spielball

 

Die Logik einer Politik und Redefigur wie ,,Ausländer raus" ist eine rein lokale. Wenn wir diese Logik in glo­baler Dimension weiterführen, steht nämlich an ihrem Ende "Erdländer raus" " Die Menschheit bildet eine Summe, die auf alle Länder der Erde verteilt ist. Die Mehrheit der Menschen bildet also immer für eine Minderheit von Menschen die Ausländer. Wenn nun alle diese Ausländer ausgewiesen würden, die ja in Wahrheit Bewohner der Länder dieser Erde sind, der einzigen Erde die wir haben, müssten sie schließ­lich die Erde selbst verlassen. Nachdem das nicht möglich ist, heisst eigentlich der Slogan ,,Ausländer raus” soviel wie ,,Ausländer aus”. Die Ausländer werden ausgeschieden. Eine ausländerfeindliche Politik zielt im Grunde auf die Auslöschung der Ausländer und damit der Menschheit.

Im Gegensatz zu dieser lokalen Politik steht scheinbar eine globale Wirtschaft in Wirklichkeit korrelieren und unterstützen sich eine scheinbar ausländer­freundliche multi-und transnationale Wirtschaftspo­litik und eine ausländerfeindliche Einwanderungspolitik. Denn bei der globalen Wirtschaftspolitik des Neoliberalismus geht es primär darum, die Produkte des eigenen Landes und der eigenen Konzerne glo­bal zu vermarkten, Die Welt wird zu einem Weltmarkt, auf dem lokal produzierte Güter global verkauft wer­den können, Das Entstehen der Netzgesellschaft (The Rise of the Network Society. Manuel Castells, 1996) begünstigt eine globale Wirtschaftspolitik. Die anderen Anspielungen des Netzes wie cartesiani­sches Koordinatensystem von Raum und Zeit. wie Fi­schernetz, wie Verkehrsnetz, deuten ebenfalls auf Formen der Gefangenschaft hin. Der Erdball wird zur Spielfläche wirtschaftspolitischer Interessen, ein kaI­kulierbarer Würfelwurf um die Gunst des Kapitals statt Zufalls. Das Bild des Erdwürfels bzw. Weltwürfels verweist auf den Erdball als Spielball ökonomischer Interessen.

Demographische Daten, die aus einer globalen Per­spektive ermittelt werden, zeigen, von der Ökologie bis zur Geburtenrate, dass die globale Gier die Karte dieser Welt in eine Zone der Instabilität leitet.

Peter Weibel

 

Die an der Decke der Galerie angebrachte Arbeit „ Globale Gier „ verweist auf die Globalisierung wirtschaftspolitischer Interessen in einer immer enger vernetzten Welt. Das Entstehen der Netzgesellschaft begünstigt eine globale Wirtschaftspolitik.

Die anderen Anspielungen des Netzes, wie cartesianisches Koordinatensystem von Raum und Zeit, wie Fischernetz, wie Verkehrsnetz, deuten auf Formen der Gefangenschaft hin.

Im globalen Wettbewerb um den optimalen Standort reduziert sich der Globus selbst zum Standortfaktor, wird die Erde zum Spielball. Der Erdball wird zur Spielfläche ökonomischer Interessen, ein kalkulierbarer Würfelwurf um die Gunst des Kapitals statt des Zufalls.

Demographische Daten, die aus einer globalen Perspektive ermittelt werden, zeigen, von der Ökologie bis zur Geburtenrate, dass die globale Gier die Karte dieser Welt in eine Zone der Instabilität leitet.

Straßenpapierkörbe sind an den Wänden des Raumes montiert, sie sind gefüllt mit zerknülltem Papier. Die Texte auf den Zetteln sind in jedem Korb andere, innerhalb eines Korbes gleich. Die zerknüllten Papiere enthalten statistische Daten zur sozialen Lage der Welt. Z.B.: „130 Millionen Kinder weltweit besuchen nicht die Schule, zwei Drittel davon sind Mädchen“, oder: „90 Prozent unserer heutigen Arbeiten hatten in der Antike ausschließlich Sklaven verrichtet“

 

 

 

PRESSEINFORMATION

 

Peter Weibel

„ Wegwerfbotschaften . Zur freien Entnahme „

8.Sept. bis 20. Okt. 2000

 

 

Peter Weibel, Künstler, Ausstellungskurator, Kunst – und Medientheoretiker, wurde 1944 in Odessa geboren.

 

Er studierte Literatur und Film in Paris, Mathematik, Medizin und Philosophie in Wien.

 

In „ Bis heute „ ( Stilgeschichte der bildenden Kunst im 20. Jhdt, Dumont ) schreibt Karin Thomas: „ Peter Weibel, der schon in den sechziger Jahren durch radikale, körperbezogene und sozialkritische Aktionen auf sich aufmerksam machte und später einer der kreativsten Experimentatoren auf den verschiedensten Feldern der Video- und Digitalkunst wurde, leistet heute durch Lehr - und Ausstellungstätigkeit sowie durch publizistische Aktivitäten wegweisende Vermittlerarbeit für den Kommunikationsprozess und die interdisziplinäre Erweiterung der Kunst.“

 

Kernpunkt der Ausstellung in der Galerie Kampl ist die Arbeit Wegwerfbotschaften. " Zur freien Entnahme" von 1999.

30 Straßenpapierkörbe sind an den Wänden des Raumes montiert, sie sind gefüllt mit

zerknülltem Papier. Die Texte auf diesen Zetteln sind in jedem Korb andere, innerhalb eines Korbes gleich.

 

Hier zwei Textbeispiele:

 

„130 Millionen Kinder weltweit besuchen nicht die Schule, zwei Drittel davon sind Mädchen.“

 

„ Jede Minute wächst die Weltbevölkerung um 160 Menschen, ein Viertel davon ist ungewollt.“

 

Peter Weibel zu seiner Arbeit:“ Der öffentliche Abfalleimer, der statistische Daten zur sozialen Lage der Welt enthält und somit darauf hinweist, daß es sich um Daten handelt, die wegen Nichtbeachtung eigentlich ständig weggeworfen werden, kann nicht zum ästhetischen Objekt verklärt werden, wie es bei Duchamps Urinoir möglich ist. Das ästhetische Objekt kollabiert und an seine Stelle tritt ein Handlungsfeld. Dieses Handlungsfeld besteht natürlich nicht allein aus sprachlichen Anweisungen oder performativen Akten, sondern die Objekte selbst sind Aktanten für Handlungen.“

 

 

Aus: Peter Weibel , Globale Gier, Katalog der Kärntner Landesgalerie 1999.