Joseph Gallus Rittenberg
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Süddeutsche Zeitung Samstag/ Sonntag 21.22. August 2010
Von Erlösern und anderen Opfern: Der Fotokünstler Joseph Gallus Rittenberg in der Ausstellungsreihe “Theater und Fotografie” in der Galerie Kampl.
München - Was erzählt man über einen Menschen, der so voller Geschichten steckt wie Joseph Gallus Rittenberg? So voller Geschichten, dass jedes längere Gespräch den Zuhörer entlässt mit einer vielseitigen Anthologie im Kopf. So voller Geschichten, dass man darüber fast vergisst: Bei dem gebürtigen Österreicher und Wahl-Münchner handelt es sich nicht um einen Erzähler der schreibenden, sondern um einen der abbildenden Zunft:
Geschichten über Geschichten, erzählt im typisch österreichischen Sing-Sang. Manchmal drängend, als ob der 62-Jährige befürchte, nicht alles schnell genug mitteilen zu können. Dann wieder schleppend, ausholend, zurückgehend, sich wiederholend, an noch ein Detail erinnernd. Ein unglaublicher Erzähler.
Von den Arbeiten sind einige so bekannt, dass sie bereits zum klassischen Kanon der Künstlerfotografie zählen. Der Regisseur Rainer Werner Fassbinder an einer Zigarette ziehend, wie er am obersten rechten Bildrand stark angeschnitten aus dem Schwarz auftaucht, 1980 fotografiert. Ein typischer Rittenberg aus den späten 70er, frühen 80er Jahren. Viel Schwarz, eine ungewöhnliche Bildkomposition - das wurde damals, als er Auftrags-Porträts für Zeitungen machte, zu seinem Markenzeichen. Später wurden die Bilder lichter.
So wie die nicht minder berühmte Aufnahme von Heiner Müller: der Dramatiker, wie er aus einem offenen Gullyschacht herausschaut, wie Orpheus aus der Unterwelt emporsteigend. Entstanden ist es 1990 am Frankfurter Theaterplatz, Rittenbergs Idee war, Müllers Aufstieg von Ost nach West, vom Proletarier-Vordenker zum gesamtdeutschen Intellektuellen zu thematisieren. Doch der Fotograf hatte nicht damit gerechnet, dass der Dramatiker wirklich erscheinen würde - und hatte nichts vorbereitet. Weswegen er den schweren Kanaldeckel, als Müller zu seiner Überraschung dann doch erschien, mit Hilfe von Kleiderbügeln hochheben musste, die er aus der Theatergarderobe organisiert hatte.
Wie Rittenberg an seine Arbeit herangeht, das ist schon eine Geschichte für sich. Nein, er inszeniere nicht, er „sehe" die Bilder voraus. „Das beschreibe ich dann dem, den ich fotografieren will und erst, wenn der mir das alles erklären kann, dann kann ich das Foto machen." In der Münchner Galerie Kampl, die Ritttenbergs Schwarz-Weiß-Aufnahmen zum Abschluss der Reihe „Theater und Fotografie" präsentiert, stehen Paarunngen im Mittelpunkt. Die ungewöhnlichste Begegnung ist die von Christoph Schlingensief und Nikolaus Bachler. Der Regisseur Schlingensief 1992 in einem weißen Kleidchen, das wie ein Büßerhemd wirkt, auf einer Schaukel, die an einem Kreuz aufgehängt ist. Statt der Inschrift INRI ziert eine Tafel mit schwarz-Rot-Gold das 'Kreuz. Eingeschlagene Fenster am Gebäude, eine Aufschrift „Fürchtet euch nicht". Schlingensief sah in Rittenbergs Vorschlag den Zusammenhang von Kleid und Kreuz mit seiner Kindheit: Er war Opfer des Wunsches seiner Eltern nach einem Mädchen geworden, erzählte er Ritttenberg. Aus heutiger Sicht, mit dem Wissen um die Krebserkrankung des Theatermachers jagt einem das Bild einen Schauder über den Rücken.
Und Bachler, 1996 mit Dornenkrone, und Champagnerglas fotografiert, den Körper tief zurückgezogen in den Mantel, am Ende einer Reihe leerer Stühle sitzend? Rittenberg notierte nach dem Gespräch für die Aufnahme:
“Katharsis: Ein Lieblingswort Bachlers.” Der damalige Leiter der Wiener Festwochen gefiel sich wohl gut in der Rolle des einsamen Erlösers, wie Rittenberg ihn sah.
Sehenden Rittenberg- Auges kam es auch zu dem Foto vom brennenden Dramatiker Werner Schwab. Auf dem Weg zu ihm las Rittenber im Zug seine Werke und hattte das Bild mit dem Feuermantel vor Augen. Schwab sagte nur:” Anzünden will er mich!” -und verstand es zu erklären. Wie die Aufnahme dann zusande kam, das ist eine weitere Geschichte, die viele Seiten in der Ritttenberg Anthologie füllen würde.
Evely Vogel
Abendzeitung Mittwoch 11. August 2010
Was macht die Kunst im Sommer? Ein Blick
in Münchner Galerien mit geadeltem Müll,
Stahlobjekten und Materialspielereien
Der bayrische Ferienmonat August wirkt sich auch auf den Kunstbetrieb aus. Die meisten Galerien sind in ihre Sommerpause gegangen. Alle entspannen sie und harren der Saisoneröffnung im Herbst. Ade? Nein, es gibt einige Unentwegte Privatgalerien, die auch im Ferienmonat die Türen offen haben. Soll niemand sagen, er bekomme Entzugserscheinungen in Sachen Kunst. Hier also eine subjektive Galerien-Auswahl:
JOSEPH GALLUS RITTENBERG
Die Hauptsache findet auf diesen Schwarzweißfotos am Rand statt, manchmal auch oben oder unten in der Ecke. Nur ganz selten einmal stellt der Fotograf die Porträtierten ins Zentrum. Dabei setzt der Mann aus dem österreichischen Linz vor allem im Theater und in der Literatur Tätige meist also mehr oder weniger Prominente, ins Bild. Die zentrifugale Sicht ist dem in Salzburg, Wien und München in fast allen Bildkünsten Ausgebildeten Programm.
Vom Rand sich den Personen nähernd, vermeidet der Fotograf stets die Fallstricke des Trivialen, auch verfällt er niemals irgendeinem Starkult. In seinen Fotografien stellt er die Personen auf eine unverwech- selbare Bühne. Seihe Arrangements machen den Menschen sichtbar und greifen oft über auf eine beginnende Deutung des Werks, etwa in den Bildern Heiner Müllers, Albert Ostermaiers oder Christoph Schlingensiefs (Galerie Kampl, Buttermelcherstr. 15, Di- Sa 12 bis 19 Uhr)
Münchner Merkur 20. August 2010
AUSSTELLUNG IN DER GALERIE KAMPL
VON ANGELIKA MAYR
Er hatte sie alle, und alle ließen alles mit sich machen. Fotograf Joseph Gallus Rittenberg (geboren 1948 in Linz) steckte Dramatiker Heiner Müller 1990 in einen Gully und dessen Kollegen Werner Schwab zwei Jahre später in einen brennenden Mantel. Die Resultate sind jetzt als dritter Teil der Reihe „Theater & Fotografie- in der Galerie Kampl in der Buttermelcherstraße 15 zu besichtigen.
Schwer abdruckbar waren seine Werke. Damals. Als die Zeitungen und Zeitschriften noch klassische, konservative Fotos forderten. Als die Welt noch „heil" war. Joseph Gal-lus Rittenbergs Schwarz-Weiß-Aufnahmen waren anders. Manchmal ist nicht viel darauf zu sehen, mal ein halber Kopf, manchmal auch ein ganzer. Und manchmal sogar zwei halbe. Ansonsten sind sie schwarz wie die Nacht.
Trotzdem machten sie Furore und den Künstler bekannt. Sei es wegen der ausdrucksstarken Gesichter, oder weil sie schlichtweg provokant waren. Egal, jeder wollte auf diesen Fotos abgebildet sein. So rauchte 1980 Regis-seur Rainer Werner Fassbinder eine Zigarette und starrte gleichzeitig ins Schwarz. Der Intendant der Berliner Volksbühne, Frank Castorf, stellte sich mit Engelsflügeln auf dem Rücken und Lederpeitsche in der Hand 1995 alleine aufs Rühnenparkett. Eine langbeinige Frau in Strapsen und Pumps läuft ihm gerade weg, eine Schlange aber findet ihn wohl toll, sie besucht ihn auf dem Foto. Und auch der noch junge Christoph Schlingensief spielte Joseph Gallus Rittenbergs Spielchen mit. 1992 ließ er den Regisseur im spitzenverzierten Nachthemdchen vor einem Holzkreuz mit Deutschlandfahne schaukeln. Daneben die Aufschrift „Fürchtet Euch nicht".
Leicht zu lesen waren die Fotografien nie, aber deswegen sind sie so interessant. Vor allem, weil hinter jedem Bild eine Geschichte steckt, weil jedes in der Galerie Kampl bewusst diesen oder jenen Nachbarn bekommen hat. Da hängen dann Margarethe von Trottas schlanke Schauspielerinnenbeine neben dem Gesicht ihres Ex- Ehemannes, Filmemacher Volker Schlöndorff. Der aber ist ganz bieder und buchhalterisch mit Anzug, Krawatte und Aktentasche zu sehen. Auch, dass der sich hinter einer Hecke versteckende Ottfried Fischer direkt neben seinem Kabarettkollegen Helmut Qualtinger hängt, ist natürlich gewollt. Letzteren positionierte Joseph Gallus Rittenberger nämlich direkt neben eine gewaltige Treppe, der identischen Rundungen wegen. „Gegen die Bilderflut können wir nichts tun, aber vielleicht können wir in den Bildern das Bild wiederentdecken", kommentiert Rittenberg seine Porträts.