Franz Meiller
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Süddeutsche Zeitung Nr. 172
Kunst und Kipplaster
Der Unternehmer Franz Meiller leistet sich den Luxus, auch als Schauspieler und Fotograf zu arbeiten
Von Franz Kotteder
Fehlt eigentlich nur noch, dass er Liebesgedichte schreibt, denkt man sich. Würde in eine Erzählung von Thomas Mann passen: der sensible, künstlerisch begabte Sohn einer alteingesessenen Kaufmanns- respektive- Unterneh-merfamilie, wäre doch ein schönes Klischee. Aber mit so etwas braucht man Franz Meiller nicht zu kommen. Da schaut er bloß skeptisch und meint: Nein, als Exot sehe er sich ganz und gar nicht. Seine künstlerische Ader, die sei immer schon dagewesen, nur lebe er sie jetzt ein bisschen mehr aus als früher, den Luxus leiste er sich einfach: „Aber meine beiden Seiten schließen sich nicht aus, die sind sogar notwendig und ergänzen sich."
Das ist erst mal gar nicht so leicht zu verstehen, wenn man weiß, dass Franz Meiller die fünfte Generation der Münchner Unternehmerfamilie Meiller darstellt, die immerhin europäischer Marktführer ist, was die Herstellung von Kipplastern und anderen Nutzfahrzeugen angeht. Sie macht damit einen Umsatz von rund 250 Millionen Euro und setzt 1500 Mitarbeiter in Lohn und Brat. Dass sich so jemand mit dem Hintergrund einer 180-jährigen Firmentradition, auskennt mit Kippsattelanhängern, Abrollkippern, Absetzkippern und diversen einschlägigen Fahrzeugausstattungen, mag man gerne glauben. Größere Kompetenz in Theaterfragen oder bildnerischer Gestaltung würde man jedoch erst einmal nicht voraussetzen. Tatsächlich aber ist Franz Meiller gelegentlich auch auf Thea-terbühnen und in Filmen als Schauspieler aktiv, keine großen Rollen zwar, aber immerhin. Vor allem aber ist er gerade dabei, sich einen Namen als Fotograf zu ma-chen. Was immerhin auch in einer Ausstellung in der renommierten Münchner Ga-lerie von Matthias Kampl mündete (noch bis Samstag, 37. Juli, Buttermelcherstraße 15, 12 bis 19 Uhr), Dort zeigt er Theaterfotografien, was seine beiden großen künstlerischen Leidenschaften natürlich perfekt miteinander verbindet.
Meiller geht jetzt auf die 50 zu, und er sagt, inzwischen habe er die perfekte Ba-lance gefunden, zwischen Unternehmer und Künstlertum. Er lässt sich nicht gerne darüber aus, wie das früher gewesen ist. Klar, es sei nicht immer ganz einfach, diese beiden Seiten zu verbinden, sagt er. “Man hat gelegentlich schon von mir ver-langt, sich irgendwann für eine der beiden Seiten zu entscheiden, für den Künstler oder den Unternehmer. Und ich habe mich dafür entschieden, beides zu sein:" Seine Eltern hätten ihm aber leiztlich keine Steine in den Weg gelegt und hätten auch mit Verständnis darauf reagiert, als er sich vor ein paar Jahren in die zweite Reihe der Geschäftsführung zurückgezogen hat: „Ich war damals zwei Jahre lang Vertriebsleiter, mit einer gewaltigen Personal- und Umsatzverantwortung. Aber ich habe dann festgestellt, das ist es nicht auf die Dauer," Heute ist er Marketingleiter, drei Tage die Waohe: „Aber da gebe ich Vollgas, da bin ich da." Und dass Meiller-Kipper nun schon zum sechsten Mal in Folge den Deutschen Markenpreis ge-wonnen hat, spricht ja nun auch für einen gewissen Erfolg seiner Arbeit.
Die übrige Zeit kann er sich nun dem widmen, was ihn eigentlich schon seit Kindertagen fasziniert: dem Theater und der Fotografie. „Ich hab' schon als Kind Theater gespielt, hab' zum Beispiel Weihnachtsspiele für meine Eltern aufgeführt und zwei Jahre lang am Siemens-Werks-theater gespielt." Das Elternhaus war ja durchaus kulturinteressiert, man hatte ein Opern- und ein Theaterabo - und zu gesellschaftlichen Ereignissen kamen auch schon mal Generalintendant August Everding oder Kammerspielintendant Hans-Reinhard Müller zu den Meillers nach Hause. Freilich, der älteste Sohn sollte irgendwann schon ins Unternehmen hineinwachsen, und so studierte Franz an der Ludwig-Maximilians-Universität selbstverständlich Betriebswirtschaftslehre. Das Theaterspielen ließ ihn nicht los, während Schul- und Unizeit spielte er in Laienbühnen mit. Schließlich bewarb er sich am Residenztheater als Statist und wurde auch prompt genommen. So spielte er dann etwa, ausgerechnet bei den „Exoten" mit Gerhard Polt und der Biermösl Blosn im Staatsschauspiel. „Das war schon was", sagt er heute, „morgens in der Vorlesung zu Kostenrechnung, und abends mit dem Polt auf einer Bühne. Aber das ging gut." Für eine richtige Karriere am Theater, meint er, war sein Talent dann doch nicht groß genug, und es wäre ja auch unvereinbar gewesen mit den anderen Verpflichtungen.
Franz Meiller. Chronist.
Der Fotograf Franz Meiller ist ein Chronist. Nicht im lexikalischen Sinne des Wortes; sondern in der konsequenten Hingabe an eine bildnerische Erzählweise, der das Geheimnis einer sehr spezifischen Beschränkung zugrunde liegt. Meiller konzentriert sich in seinen Fotografien fast ausschließlich auf Ereignisse, die sich in seiner unmittelbaren (sprich: privaten) Nähe vollziehen und wiederholen. Seine Bilderserien kreisen um das Auf- und Abtauchen einer sehr überschaubaren Anzahl von Menschen. Ihnen, und der Chronik ihrer Lebensverläufe gilt seine ganze Aufmerksamkeit. Aus den Momenten, die Meiller mit diesen Menschen teilt, formt er fotografische Erzählungen über das rätselhafte Verhältnis von Wiederkehr und Veränderung. Warum begegnet man welchem Menschen an welchem Ort? Welche Personenkonstellationen bleiben konstant, welche sind fragil? Gibt es bestimmte Räume, in denen sich Rituale der Begegnung wiederholen? Gibt es Wiederholungen von emotionalen Zuständen? Mit anderen Worten: Wie sieht sie aus, die Chronik eines mitteleuropäischen Alltags und welche Menschen und Orte geben dieser Biografie ihre entscheidenden Impulse und Wendungen? Indem Meiller in seinen Fotografien diesen Fragen nachgeht, objektiviert er seine subjektive Empfindung von Alltag. Seine fotografischen Serien geben Auskunft über Zusammenhänge, die der persönlichen Wahrnehmung und Erfahrung zuwiderlaufen. Meiller macht sich, indem er die Umstände seiner Lebenserzählung dokumentiert, im wahrsten Sinne des Wortes, “ein Bild” von sich selbst. Und dieses “Bild” ist hybrid. Es berichtet von Regeln (Ritualen des Alltags) und Ausnahmen (Reise-, Filmset- und Theaterfotografie), es gibt Auskunft über die Vielfältigkeit und Widersprüchlichkeit alltäglichen Handelns und Erlebens. Meiller entfernt sich von sich selbst, indem er der intuitiven Wahrheit seiner Empfindungen die Wahrheit des Bildes entgegenstellt. Und genau an diesem Punkt entsteht die Faszination am künstlerischen Projekt von Franz Meiller. Indem er nichts inszeniert, berichtet er von einer Inszenierung, vor deren Konsequenzen man zurückschrecken könnte. Weil man sie nicht beherrscht.
Malte Ubenauf